Manches, das auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheint, stellt sich auf den zweiten Blick ganz anders dar. Das haben wir von unserem neuen Kooperationspartner Georg Festl gelernt. Georg ist kein typischer Opernsänger. Er ist internationaler Opernsänger, Lehrbeauftragter an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Experte für Wirkung und Auftritt. Anders als viele seiner Kolleg*innen begann er seine musikalische Laufbahn nicht mit klassischem Gesang, sondern als Gitarrist und Schlagzeuger in Rockbands. Erst mit 20 Jahren entdeckte er seine Leidenschaft für den Operngesang und begann, seine Stimme professionell auszubilden. Sein Weg führte ihn über ein Musik-Studium auf Lehramt schließlich zum Operngesang an der Musikhochschule Würzburg. Dieser späte Einstieg in die Welt der Oper bedeutete für ihn, in kurzer Zeit viel aufholen zu müssen. Doch gerade diese Herausforderung und sein unkonventioneller Hintergrund verleihen ihm eine einzigartige Perspektive, die er nun in seiner Arbeit als Experte für Wirkung und Auftritt einbringt.
In diesem Artikel zeigt er, wie Führungskräfte und Trainer*innen mehr aus ihrem Auftritt herausholen können: indem sie ihr Lampenfieber in den Griff bekommen und Stimme und Körpersprache bewusst einsetzen.
Lampenfieber: Von der Angst zur Energie
Lampenfieber ist nicht nur ein Phänomen, das Bühnenkünstler*innen betrifft. Auch viele Führungskräfte und Trainer*innen kennen das flaue Gefühl im Magen vor einem wichtigen Vortrag. Die Hände werden feucht, das Herz rast und die Gedanken überschlagen sich.
Lampenfieber ist Teil des Berufes
Georg kennt die gewissen Momente, auf die das Publikum den ganzen Abend wartet, zu gut. Sei es „Nessun dorma” aus Turandot oder die Gralserzählung aus Lohengrin: als Sänger weiß man, dass diese Arien die wichtigsten Minuten des Abends sind. Der Tenor kann den ganzen Abend noch so schön und „perfekt” gesungen haben. Sobald bei „Nessun dorma” der hohe Ton nicht 100 Prozent sitzt, sind die Reaktionen des Publikums gnadenlos. Speziell in unserem digitalen Zeitalter, in dem man so einfach Zugriff auf eine im Tonstudio makellos aufgenommene Arie hat, ist der Druck nach Perfektion gewachsen. Das Publikum kennt die Aufnahmen, und weiß, wie es eigentlich klingen „muss”. Das geht an Sänger*innen natürlich nicht spurlos vorbei. Der Druck ist enorm und Lampenfieber ist tagtäglich ein Teil des Berufes.
Skurrile Anti-Lampenfieber-Rituale aus der Operngeschichte
Es gibt viele Anekdoten der Operngeschichte, wie sich berühmte Sänger*innen dem Lampenfieber mit Ritualen stellten. Sei es Caruso, der in jedem seiner Kostüme ein Fläschchen mit einer geheimen „Mischung” dabeihatte. So musste das Orchester sogar teilweise aufhören zu spielen, bis der Startenor seine Flasche ausgetrunken hatte. Die Sopranistin Waltraud Meier hatte stets ein Lutschbonbon in ihrer Backentasche, als sie auf der Bühne stand. Und selbst die berühmte Sopranistin Maria Callas war ihr ganzes Leben von Lampenfieber geplagt. Mit den richtigen Techniken kann man sich aber diese Anspannung zu Nutze machen und in die richtigen Bahnen leiten. Für Georg ist der erste Schritt zu einem besseren Umgang mit Lampenfieber, es als natürlich zu akzeptieren.
Lampenfieber als Bedingung für Höchstleistung
Lampenfieber ist eine Bedingung für Fortschritt und daher notwendig für Höchstleistungen. Nur mit dem nötigen Adrenalin schafft Georg es mit seiner Stimme bis in die letzte Reihe des Konzertsaals durchzudringen. Eine Unterspannung oder Gleichgültigkeit wäre fatal für seinen Beruf. Damit das Lampenfieber nicht überhandnimmt, bereitet er sich optimal vor. Seien es das Ausgeschlafen sein, die passende Kleidung, das richtige Essen oder das Üben vorab: einer guten Vorbereitung darf man blind vertrauen. Was dann noch schief gehen sollte, liegt außerhalb der eigenen Verantwortung.
Akzeptiere deine Einzigartigkeit!
Unser Lampenfieber und seine Ausprägung sind hauptsächlich an unsere Gedanken gekoppelt. Das bedeutet auch, dass es sich mit unseren Gedanken bzw. unserer inneren Haltung überwinden lässt. Georg empfiehlt, die eigene Einzigartigkeit zu akzeptieren. Man hat oftmals die Vorstellung, wie man auf andere wirken möchte, wie man den Vortrag ideal meistert. Aber die berührendsten und schönsten Momente sind oftmals nicht „perfekt”. Sie sind einmalig und originell. Mut ist der Gegenpol zum Lampenfieber. Deswegen empfiehlt Georg: Mut zur Authentizität, zum Ausdruck, zur Mitteilung! Das sollte man zu Hause üben, übertreiben und dann auf das Podium bringen. Denn nur durch Übertreibung beim Üben lotet man seine Grenzen aus und erweitert sie. Ein weiterer Tipp gegen Lampenfieber: Sieh das Publikum nicht als eine riesige „Superpersönlichkeit” an. Stelle dir vielmehr vor: „Ich darf mir heute eine Person aus dem Publikum aussuchen und nur dieser einen Person trage ich etwas vor.”
Heißer gekocht als gegessen
Die Erfahrung hat Georg gelehrt, dass vieles nicht so heiß gegessen wird, wie es gekocht wird. Als Student hat er in seiner Abschlussprüfung die russische Arie „Ves tabor spit” aus der Oper „Aleko” vorgetragen. Er war nervös, doch das Konzert lief gut, bis zu dem Moment, als er plötzlich, mitten in der Arie, den Text vergaß. Er konnte das Konzert nicht einfach unterbrechen. So fiel ihm nichts Besseres ein, als einfach weiterzusingen. Also schmetterte er die tragische Arie inbrünstig mit ausgedachten, einigermaßen nach Russisch klingenden Worten. Zum Glück fiel ihm nach wenigen Sekunden der Text wieder ein und er sang die Arie korrekt zu Ende. Allerdings fühlten sich diese wenigen Sekunden für ihn wie eine halbe Ewigkeit an und er war sich sicher, dass dieser Fauxpas seine Abschlussnote gewaltig nach unten drücken würde. Doch es passierte genau das Gegenteil. Niemand hatte etwas bemerkt! Er bekam das Feedback: „Die russische Arie war besonders ausdrucksstark!”
Oft sind wir selbst unsere härtesten Kritiker*innen, während unser Publikum – sei es in der Oper oder im Konferenzraum – viel weniger Fehler wahrnimmt, als wir befürchten. Stattdessen schätzen sie Authentizität und Leidenschaft. Diese Erkenntnis kann uns helfen, gelassener mit Herausforderungen umzugehen und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren: unsere Botschaft mit Überzeugung zu vermitteln.
Stimme: Dein mächtiges Führungsinstrument
Viele Führungskräfte und Trainer*innen unterschätzen die Bedeutung ihrer Stimme oder kämpfen mit stimmlichen Herausforderungen. Ist die Stimme zum Beispiel zu leise, vermittelt sie Unsicherheit. Ist sie zu hoch, untergräbt sie die Glaubwürdigkeit.
Atemübungen und Stretching
Es gibt eine alte Binsenweisheit in der Opernbranche: „Die schönsten Töne werden in der Garderobe gesungen.” Das bedeutet: Viele Sänger*innen singen sich sehr lange ein, versuchen jeden Spitzenton mehrmals vorab schon zu singen, um sich zu vergewissern, dass ihre Stimme funktioniert. Leider führt das oftmals dazu, dass sie auf der Bühne nicht mehr genug Frische haben, um die Töne so schön zu singen wie beim Aufwärmen. Georg versucht das bewusst zu vermeiden. Vor einer Vorstellung verbringt er die meiste Zeit damit, sich zu stretchen und seinen Körper ins Gleichgewicht zu bringen. Dabei helfen ihm Qigong-Atemübungen und einfache Yoga-Stretches, die seine Brust und seinen Rücken öffnen und Verspannungen lösen. Selbstverständlich macht er auch ein paar Gesangsübungen, aber der Körper ist die Basis der Stimme und elementar für den Gesang.
Stimmbänder zum Schwingen bringen
Die Stimme aufzuwärmen ist bei weitem nicht so aufwendig, wie man es sich vorstellt. Die Stimmbänder sind ja nur zwei winzige Muskeln, die man zum Schwingen bringen muss. Was um die Stimmbänder herum passiert, ist viel wichtiger. Wie öffne ich die Stimme? Spüre ich bewusst meinen Körper, meinen Atem und bin frei von Verspannungen? Das alles bedingt den Klang der Stimme. Für seine Stimmbänder summt Georg sich in einer angenehmen Lage ein und sorgt dafür, dass sie natürlich schwingen und sich dehnen. Er summt von tiefen Tönen bis in die Kopfstimme, ohne einen Druck in den Hals zu legen. Das ist eine leichte Übung, die jeder verwenden kann, um die Stimme aufzuwärmen. Danach singt er ein bisschen mit voller Stimme und geht durch ein paar Phrasen der Oper. Das war’s!
Schweigen ist Gold
Neben der Stimme ist auch das Schweigen wichtig. Egal ob auf der Opernbühne oder im Konferenzraum: nicht nur das Gesagte ist wichtig, sondern auch das Ungesagte. Die bewusste Nutzung von Pausen kann ebenso wirkungsvoll sein wie der Einsatz der Stimme selbst. Angus Young sagte einst: „one note can be a hell of a lot better than 50 notes.“ Oder Claude Debussy: „Music is the space between the notes.“ Selbiges gilt auch bei einer Konversation oder Präsentation. Das Pausieren zwischen einzelnen Worten kann einen großen Unterschied machen: die Zuhörer*innen auf das zu fokussieren, was NICHT gesagt wird, ist sehr kraftvoll. Im Schauspiel werden gerne sogenannte Power Pauses gemacht, um die Zuhörer*innen bei der Stange zu halten. Eine bewusst gesetzte Pause inmitten des Satzes, direkt vor dem entscheidenden Kernpunkt des Satzes, führt zu größerem Interesse des Publikums und hält es gespannt.
Körpersprache: Die stille Macht der Präsenz
Körpersprache kann Autorität, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit vermitteln – oder das Gegenteil. Als Opernsänger ist sich Georg der Macht der Körpersprache sehr bewusst. Auf der Bühne kommuniziert er nicht nur mit seiner Stimme, sondern mit seinem ganzen Körper. Jede Bewegung, jede Geste und jeder Gesichtsausdruck trägt zur Gesamtwirkung seiner Darstellung bei. Ein Beispiel für die Bedeutung der Körpersprache erlebte er einmal bei einer Opernaufführung von „Don Giovanni“. Ein junger Sänger in der Rolle des Leporello wollte beweisen wie gut seine darstellerischen Fähigkeiten sind und legte sich bei dem Schauspiel während seiner komischen Arie voll ins Zeug. Aufgrund seiner Aufregung wurden die Gesten allerdings unnatürlich groß, die Mimik übertrieben und die Bewegungen so abrupt, dass der Sänger beim Publikum nur Stress auslöste. Aufgrund der zwanghaften Vorstellung alles „perfekt“ machen zu wollen, fiel der Sänger somit in das so genannte „overacting“: Er machte von allem zu viel. Als Darsteller*in ist es wichtig, gewisse Gesten und Gesichtsausdrücke wirken zu lassen. Es mag innerlich unnatürlich wirken, bewusst drei Sekunden in einer Haltung stehen zu bleiben. Das Publikum ist aber dem Sänger dankbar, wenn es die Zeit bekommt, die gespielte Emotion bewusst wahrzunehmen.
Selbst das „Nichtstun“, das Schweigen erzählt immer eine Geschichte. Es ist unmöglich, vor einer Gruppe von Leuten zu stehen und „nichts“ zu machen. Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren.
Mit selbstbestimmtem Tempo selbstsicher wirken
Zum Glück gibt es Techniken, die dabei helfen, die Körpersprache und deren Auswirkungen bewusst zu steuern. Oftmals verlangt Georgs Rolle auf der Bühne ein sehr autoritäres Auftreten. Hierfür bedient er sich u. a. dem „selbstbestimmten Tempo”. Um selbstsicher zu wirken, lässt er sich nicht das Tempo eines anderen aufdrücken. Weder das Sprechtempo noch die Gestik. Er setzt sich ein Tempo und behält es sich bei, sei die Situation noch so stressig. Hektische Bewegungen vermitteln eine Unruhe und Überforderung durch die Situation. Es zeugt von großer Kontrolle und Selbstbewusstsein, selbst in stressigen Situationen, Sprechtempo und Gestik nicht zu beschleunigen, sondern beizubehalten, wenn nicht sogar bewusst zu verlangsamen. Instinktiv versuchen wir oft, unseren Gesprächspartner*innen schnell zu antworten. Studien zu Folge geben wir uns sogar nur 30 Prozent der Antwortzeit, die wir unserem Gegenüber geben. Als Übung lohnt es sich, in stressigen Diskussionen die 3-Sekunden-Regel auszuprobieren: Warte 3 Sekunden, um deine Antwort zu geben und halte dabei Augenkontakt. Grundsätzlich ist der Augenkontakt ein sehr starkes Hilfsmittel, um unbewusst Selbstbewusstsein auszustrahlen.
Fazit
Die Parallelen zwischen der Welt der Oper und der Welt von Führung und Trainings sind vielfältig und lehrreich. Die Bühne mag sich vom Konferenzraum unterscheiden, aber die Grundprinzipien bleiben gleich: Es geht um Authentizität, Präsenz und die Fähigkeit, andere zu inspirieren und zu bewegen. Indem wir die Lehren in unseren beruflichen Alltag integrieren, können wir unsere Präsenz, unsere Kommunikation und unsere Führungsqualitäten verbessern und unsere ganz persönliche Bravourarie im Berufsalltag meistern.
Möchtest du tiefer in das Thema einsteigen und dabei begleitet werden? Nutze gerne die Expertise von Georg Festl und kontaktiere uns für weitere Informationen zu den Möglichkeiten einer Zusammenarbeit.
Ankündigung
Nächste Woche startet unser Weihnachtsspecial, bei dem du ein einstündiges Wirkungscoaching mit Georg gewinnen kannst. Sei gespannt! Weitere Infos erhältst du auf unserer Aktuelles-Seite und auf unserer LinkedIn-Seite.